Computergestützte Diagnose von Leukämie anhand von mikroskopischen Blut- und Knochenmarkausstrichsbildern mittels Methoden der digitalen Bildverarbeitung
Übersicht
Zur Diagnose von Leukämie ist die mikroskopische Untersuchung von
Blut- und Knochenmarkausstrichen unverzichtbar. Dabei erfordert die Vielfältigkeit
und Verschiedenheit der auftretenden Zellen eine hohe fachliche Kompetenz
seitens des analysierenden Arztes. Die Analyse liefert Ergebnisse, welche
vom Pathologen verbal beschrieben werden. Aufgrund dieser nicht standardisierten
verbalen Beschreibung ist die Reproduktion der gefundenen Ergebnisse stellenweise
nur schwer möglich. Zur Erhöhung der Verlässlichkeit der
Analyse ist die computergestützte Diagnose basierend auf Methoden
der digitalen Bildverarbeitung ein nützliches Werkzeug.
Die Universität Kaiserslautern und das Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern
haben im Rahmen eines interdisziplinären Projektes mit der Entwicklung
eines Systems zur Diagnose von Leukämie anhand von mikroskopischen
Blut- und Knochenmarkausstrichen mit Methoden der digitalen Bildverarbeitung
begonnen.
Projektbeschreibung
Das Ziel des hier beschriebenen Projektes ist es, ein System zur automatischen
Klassifikation von panoptisch (May/Grünwald/Giemsa) gefärbten
Blut- und Knochenmarkausstrichen zu entwickeln. Die Analyse der Ausstriche
beinhaltet die Erkennung und Auszählung der weißen Blutzellen
der verschiedenen Abstammungen und verschiedenen Reifegrade. Je nach Art
der Leukämie kommen verschiedene Zelltypen in verschiedenen Reifestadien
in unterschiedlichen Verteilungen im peripheren Blut des Patienten vor.
In einigen Fällen können nur sehr wenige Zellen eines bestimmten
Typus im peripheren Blut gefunden werden, in andern Fällen sind typische
Deformationen, z. B. haarige Auswüchse, erkennbar. Die Analyse dieser
Blut- und Knochenmarkausstriche ist für den Befunder ein anstrengendes
und zeitaufwendiges Unterfangen, da jede einzelne Zelle korrekt klassifiziert
werden muß. Ein automatisiertes System kann hier Abhilfe schaffen
und den Befunder entlasten.
Nach der Aufnahme der mikroskopischen Blut- und Knochenmarkbilder muß zunächst mit der Segmentierung, das heißt der Trennung der Zellen vom Hintergrund und dem Auflösen der Zellen in Zellkern und Zytoplasma begonnen werden. Hängen mehrere Zellen in einem "Cluster" zusammen, so müssen diese mittels einem geeigneten Algorithmus getrennt werden, da sonst eine automatische Analyse der Zellen nicht möglich ist. Solche Zellcluster finden sich hauptsächlich in Knochenmarkausstrichen, bei Blutausstrichen liegen die Zellen meist einzeln oder in kleinen Gruppen von wenigen Zellen vor. Das Bild links zeigt einen typischen Blutausstrich, das Bild rechts einen typischen Knochemarkausstrich.
Blutausstrich |
Knochenmarkausstrich |
Liegen die Zellen einzeln vor, kann mit der Merkmalsextraktion begonnen werden. Die Merkmale sind der verbalen Beschreibung der Ärzte in Algorithmen umgesetzt - so kann zum Beispiel die verbale Beschreibung "feinmaschig" mittels Texturanalyse in ein quantifizierbares Merkmal umgesetzt werden, das dann als Teil eines Merkamlsvektors zur Klassifikation der Zelle herangezogen werden kann. Untersucht werden unter anderm geometrische Merkmale, formbasierte Merkmale, farbbasierte Merkmale, Texturmerkmale und kombinierte Merkmale.
Als essentiellen Schritte des Projektes sind zu nennen:
- Einrichten einer Datenbank zur Akquisition von mikroskopischen Zellaufnahmen
- Standardisierung der Beschreibung der Zellbilder mittels formalisierten Sprachen
- Entwicklung eines automatisierten Bildaufnahmeverfahrens
- Standardisierung der Bildformate und des Prozesses der Archivierung und Abrufung der Bilder
- Bildanalyse der Zellbilder zur Findung quantitativ beschreibender Merkmale - dies ist der zentrale Punkt des Projektes. Dieser Schritt beinhaltet die Analyse, Quantifizierung, Extraktion und Selektion von Merkmalen. Die Korrelation der Merkmalsparameter mit der Diagnose des befundenden Arztes ist sicherzustellen. Ist diese Übereinstimmung ermittelt, kann sie als Ausgangspunkt für die zukünftigen Diagnosen dienen. Die Bildanalyse setzt sich aus den folgenden Punkten zusammen:
- Farbtransformation von RGB nach HSI (Hue, Saturation, Intensity)
- Segmentierungsmethoden zur Trennung der Zellen vom Hintergrund
- Trennen von zusammenhängenden Zellen
- Merkmalsextraktion zur Erstellung eines Merkmalsvektors. Dabei sind bisher unter anderem folgende Bereiche untersucht worden:
- Geometrische Merkmale: Zelldimensionen, Invariante Momente 1. bis 4. Ordnung, Verhältnis Fläche Zytoplasma zu Fläche Nukleus, Anzahl der Kernsegmente
- Formbasierte Merkmale: Kurvigkeit der Kontur, Energie der Nukleuskontur und Zytoplasmakontur
- Texturbasierte Merkmale: Entropie, Kontrast, Homogenität, Korrelation, Rauhheit, Orientierung, Busyness, Gabormerkmale, Watershedmerkmale
- Farbbasierte Merkmale: Hue und Saturation (Farbton und Farbsättigung) von Zytoplasma und Nukleus
- Kombinierte Merkmale: Granula im Zytoplasma und deren Farbe
- Korrelation der Merkmalsvektoren mit der Diagnose veränderter oder unreifer Zellen
- Histogrammanalyse der veränderten und unreifen Zellen
Zukünftige und aktuelle Arbeitsbereiche
Hier einige der Gebiete, die näher zu betrachten sind (Interessenten (DA, SA, HiWi...) melden sich bitte bei: Thomas Heger
- Klassifikation mittels Neuronalen Netzen
- Conceptual Graphs
- Merkmalsextraktion
- Genetische Algorithmen
- und andere Themen nach Absprache
Kooperationspartner
Herr Prof. Dr. Link und Herr Dr. Hagmann vom Westpfalzklinikum unterstützen das Projekt in medizinischen Belangen, außerdem wird zur Zeit eine Kooperation mit der Firma Zeiss ausgearbeitet. Es besteht ein Austauschprogramm mit dem Indian Institute of Science das von der DLR unterstützt wird.
Veröffentlichungen
H. Hengen, M. Pandit, Declustering Algorithms for the Analysis of Blood
and Bone Marrow Smears, IEEE SPCOM, Bangalore, 2001
M. Pandit, H. Hengen, Image Analysis of Blood and Bone Marrow Smears,
IEEE/BMESI, BIOVISION, Bangalore, 2001
M. Pandit, H. Hengen, H. Link, F.-G. Hagmann, Computergestützte
Diagnose von Leukämien unter Anwendung von Verfahren der digitalen
Bildverarbeitung, DGHO Mannheim, 2001
T. Heger, H. Hengen, M. Pandit, Bildverarbeitung für Klassifikationsaufgaben
in der Medizin und Qualitätssicherung, Automatisierungstechnik
(at), Oldenbourg Verlag, 2002
H. Hengen, S. Spoor, M. Pandit, Analysis of Blood and Bone Marrow
Smears using Digital Image Processing Techniques, SPIE Medical Imaging,
San Diego, Feb. 2002
Bisherige Studien-, Master-, Projekt- und Diplomarbeiten
H. Hengen:
Objektorientierte Systemanalyse und -synthese in der digitalen Bildverarbeitung
Studienarbeit, Universität Kaiserslautern, 1997
O. Gabel:
Segmentation of Blood Cells
(Segmentierung von Blutzellen)
Projektarbeit, Indian Institute of Science, Bangalore, 1999
A. Hajra:
Segmentation and Feature Analysis of Blood Cells
(Segmentierung und Merkmalsanalyse bei Blutzellen)
Master Thesis, Universität Kaiserslautern, 2000
T. Paulus:
Entwurf und Realisierung einer Plattform zur Akquisition, Analyse
und Segmentierung von mikroskopischen Aufnahmen für die midizinische
Bildverarbeitung
Diplomarbeit, Universität Kaiserslautern, 2000
M. Ross:
Methoden der digitalen Bildverarbeitung für die Leukämiediagnostik
Diplomarbeit, Universität Kaiserslautern, 2001
S. Spoor:
Normalisierung, Declustering und Merkmalsextraktion in der medizinischen
Bildverarbeitung
Diplomarbeit, Universität Kaiserslautern, 2002
Download
Die Veröffentlichung "Analysis of Blood and Bone Marrow Smears using Digital Image Processing Techniques" enthält eine nähere Beschreibung des Projektes und der einzelnen Verfahren. Sie kann hier heruntergeladen werden.
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