Synthetische NS-Netzmodelle für wissenschaftliche Untersuchungen

Motivation

Durch die stetige Zunahme von dezentralen Erzeugungsanlagen, den anstehenden Smart-Meter Rollout sowie die zu erwartende Elektrifizierung des Verkehrssektors (E-Mobilität) steht die Netzplanung und Netzbetriebsführung von Niederspannungsnetzen (NS-Netzen) in Deutschland vor großen Herausforderungen. In den letzten Jahren wurden daher viele Studien, Forschungs- und Demonstrationsprojekte zu den oben genannten Themen durchge-führt und die Ergebnisse sowie die entwickelten Methoden publiziert. Jedoch lassen sich die publizierten Metho-den meist nicht nachbilden bzw. validieren, da die Untersuchungsmodelle oder die angesetzten Szenarien für Dritte nicht nachvollziehbar sind. Es fehlen einheitliche Netzmodelle, die die deutschen NS-Netze abbilden und für Ver-gleichsuntersuchungen herangezogen werden können, ähnlich dem Beispiel der nordamerikanischen Verteilnetz-modelle des IEEE.

Im Gegensatz zum Übertragungsnetz, dessen Struktur hinreichend genau bekannt ist, sind passende Netzmodelle für NS-Netze wegen der hohen Anzahlen der NS-Netze und Verteilnetzbetreiber (VNB) nur schwer abzubilden. Des Weiteren ist eine detaillierte Darstellung realer NS-Netze in wissenschaftlichen Publikationen aus daten-schutzrechtlichen Gründen meist nicht erwünscht. Für die Untersuchungen im Foschungsprojekt LISA wurden darum möglichst charakteristische synthetische NS-Netzmodelle erstellt, die sich an gängigen deutschen Siedlungsstrukturen und üblichen Netzplanungsgrundsätzen orientieren. Damit stehen erstmals für die Öffentlichkeit nachvollziehbare NS-Netzmodelle für den deutschsprachigen Raum zur Verfügung. Sie können als Benchmark für wissenschaftliche Untersuchungen sowie zur Methodenentwicklung verwendet werden.

Methodische Vorgehensweise

Die einzelnen Entwicklungsschritte sind in der Abbildung aufgeführt. Schritt I beinhaltet die Identifikation von repräsentativen Siedlungsstrukturen mit typischen Gebäuden und Geo-Strukturmerkmalen wie Straßenführung und Grundstücksabmessungen. In Schritt II wurde für jede Siedlungsstruktur ein Gebäudetyp festgelegt mit Geschosszahl, Anzahl der Wohnungen und Gebäudeabmessungen sowie der abgeleiteten nutzbaren Dachflächen. Die Dachflächen sind für die spätere Auslegung von PV-Anlagen relevant. Schritt III beinhaltet die Festlegung der Geo-Strukturmerkmale wie typische Netzstrahllänge, Abstände zwischen Gebäuden und Straßen, Anzahl von Abgängen an der Ortsnetzstation (ONS) und Anzahl von Gebäuden bzw. Hausanschlüssen. Die Festlegungen in den Schritten I bis III beruhen auf einer umfangreichen Literaturrecherche insbesondere von Publikationen aus dem Bauwesen.

 

In Schritt IV wurden auf der Basis von üblichen Netzplanungsgrundsätzen Leitungstypen, Netztopologien und Verlegearten der Leitungen für die verschiedenen Siedlungsstrukturen festgelegt. Insbesondere in diesem Schritt wurde eng mit einem mittelgroßen deutschen VNB zusammengearbeitet. Im Anschluss an Schritt IV wurde für jede Siedlungsstruktur ein Grundnetzmodell in einem kommerziellen Netzberechnungsprogramm erstellt. Anschließend wurde in Schritt V die Auslegung der Betriebsmittel, d.h. der Transformatoren und der Leitungen festgelegt. Dazu wurden übliche Planungsverfahren für NS-Netze angewandt und die Betriebsmittel aus einem Katalog von Standardbetriebsmittel ausgewählt.

 

Das Endergebnis sind 14 verschiedene synthetische NS-Netzmodelle mit jeweils drei Varianten bezüglich ihrer geografischen Ausdehnung.

Ergebnis

Das Endergebnis sind 14 verschiedene synthetische NS-Netzmodelle mit jeweils drei Varianten bezüglich ihrer geografischen Ausdehnung. Die Entwicklungsschritte und die endgültigen Netzmodelle wurden ausführlich dokumentiert.

 

Zur allgemeinen Verwendung können die NS-Netzmodelle für die Netzberechnungsprogramme „Matpower“ und „PSS®Sincal“ auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Durch die detaillierte Dokumentation der Entwicklungsschritte sowie durch die Verwendung von üblichen Netzplanungsverfahren soll die Akzeptanz und Verbreitung dieser synthetischen NS-Netzmodelle gefördert werden und auf langfristige Sicht durch die verstärkte Verwendung in der Fachwelt zu vergleichbareren wissenschaftlichen Untersuchungen führen.

Bearbeiter

Marco Weisenstein, M. Sc.

Hayian Ma, M. Sc.

Anes Benzarti, M. Sc.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stephan Röhrenbeck

Veröffentlichungen

Wellßow, W.-H.; Weisenstein, M.; Rui, H.; Ma, H.; Benzarti, A.; Röhrenbeck, S.: „Synthetische NS-Netzmodelle für wissenschaftliche Untersuchungen“, Technische Universität Kaiserslautern, Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiemanagement, Verfügbar im Open-Access Dokumentenserver KLUEDO, url.: http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-52103.